In der heutigen Leistungsgesellschaft ist es uns von klein auf eingeprägt worden: gute Leistungen werden belohnt. Schon in der Volksschule lernen wir, dass es sich auszahlt, gute Noten zu haben. Ebenfalls sehen wir im Fernsehen, dass Erfolge in Sport und Kunst ebenfalls honoriert werden. Und wir selber fiebern mit unseren Lieblings-Sportstars mit und hoffen, dass sie gewinnen.
Unsere Lebensweise ist sehr vom Leistungsdenken beeinflusst. Sicher muss man auch sagen: dass wir durch Ehrgeiz und Einsatz in unserer Gesellschaft viel erreicht haben. Sogar in der Bibel wird den Tüchtigen im Gleichnis von den Talenten Anerkennung zuteil: Derjenige, der mit seinen zehn Talenten sein Kapital verdoppelt, bekommt noch das Talent des Schwächsten dazu. Wir sind so sehr vom Leistungsgedanken geprägt, dass wir sogar Gott selbst in diese Kategorie einordnen.
Doch Leistungsgerechtigkeit ist nur eine Facette der Welt.
Wir vergessen aber oft die andere Seite des Lebens, die genauso dazu gehört und die wir, wenn wir achtsam sind, wahrnehmen könnten: es ist die Gnade, das Herz, die bedingungslose Liebe, der unerklärliche Überfluss, die zweckfreie Schönheit...
Ohne Herz würden wir zugrunde gehen, es gäbe keine Feiern, keine Liebe, keine freiwilligen Dienste, keine Kunst...
Deshalb ist es gut, dass uns die Bibel auch hier ein Gleichnis anbietet: In der Beispielgeschichte Jesu von den Arbeitern im Weinberg wird dieses Thema pointiert dargestellt.
Menschen, die in der Leistungsgesellschaft verwurzelt sind, empfinden dieses Gleichnis als empörend, weil es für sie ungerecht erscheint: Diejenigen, die nur eine Stunde gearbeitet haben, erhalten genauso viel Lohn wie diejenigen, die den ganzen Tag geschuftet haben.
Doch Menschen, die schon einmal zurückgewiesen wurden und nicht von Beginn an die besten Karten im Leben hatten, können aufatmen und erkennen, dass das Leben auch diese großzügige Seite kennt.
Es wäre spannend zu überlegen, in welchen Bereichen des Lebens wir diese Seite leben können. Ich wünsche uns, dass wir nicht nur an Leistung im Leben denken müssen, sondern auch die Gnade genießen lernen.
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