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  • AutorenbildGeorg Fröschl

Wohnstatt Gottes werden


Meine Pfarrgemeinde Breitensee feiert am 8. Oktober ihr Kirchweihfest. Viele Leute sagen mir: „So schön ist sie geworden, unsere neu renovierte Kirche!“ Wir dürfen uns wirklich über unser Gotteshaus freuen. Doch die äußere Schönheit ist nicht der tiefste Zweck einer Kirche: eine Kirche soll vor allem ein Erinnerungsort der Gegenwart Gottes sein.

Versetzen wir uns einmal in die Zeit des Königs Salomo, der ja bekanntlich einen herrlichen Tempel bauen ließ. Die Bibel erzählt, dass er trotz des Prunks des Tempels über etwas anderes noch mehr gestaunt hat:

Salomo tritt in der Gegenwart des versammelten Volkes Israel vor den Altar des Herrn, breitet seine Hände zum Himmel aus und betet: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe…“

Die Frage des Salomo ist nach wie vor aktuell. Ich würde sie heute so formulieren: „Wie kann es sein, dass die Erde in diesem unermesslichen Weltall eine Wichtigkeit bekommen hat? Was kann sich auf diesem winzigen Planeten im Universum denn schon Großes zeigen, da er ja nur ein Stäubchen ist im Kosmos?“

Auf diese Frage gibt es nur die Antwort der Geschöpfe selbst – durch ihr Sein:

Ein Spruch lautet: „Gott schläft im Stein, er atmet in der Pflanze, er bewegt sich in den Tieren und er schlägt im Menschen seine Augen auf.“ Alle Geschöpfe sind sowohl in ihrem Sein als auch in ihrem Miteinander eine Wohnstatt Gottes. Nach christlicher Tradition hat Gott sein Innerstes im Menschen aufstrahlen lassen: dort wo der Mensch in Liebe für die Schöpfung sorgt, da zeigt sich Gottes Absicht am deutlichsten; auf diese Weise ist der Mensch Gottes Ebenbild. „Ubi Caritas, Deus est!“

Im 1. Petrusbrief steht der Aufruf: „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen.“ Damit ist gesagt, dass wir Menschen lebendig zusammenwirken und dadurch Wohnung Gottes werden. Da wo Menschen miteinander singen, wo sie einander helfen, wo sie einander verzeihen, einander zuhören und einen Neuanfang schenken, da wird Kirche konkret.

Doch vielleicht ist unsere Kirche zu sehr mit sich und ihrer Erhaltung beschäftigt; wenn es ihr nur mehr um äußere Abläufe geht, dann geben die Menschen unserer Zeit ihr Urteil ab, indem sie die Kirche ignorieren. Vielleicht könnte das für uns ein Anstoß sein, dass wir wieder mehr zum tieferen Sinn von Kirche-Sein umkehren: Wohnstatt der Liebe zu werden, als einzelne und als Gemeinschaft.



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