Die heutige Bibelstelle überrascht uns mit einem Verhalten von Jesus, das wir von ihm eigentlich nicht kennen: er ignoriert eine bittende Frau, weil er angeblich nicht zu den Heiden gesandt ist. – Dieser Text lässt einige Fragen aufkommen, die ich aber heute offen lasse, weil ich die Begegnung Jesu mit der Frau aus einem neuen Blickwinkel betrachten will:
1. Bewusste Herausforderung durch Jesus
Jeder Mensch muss im Leben lernen, dass er nicht alles und sofort haben kann. Für ein Kind ist es hart, wenn die Eltern seine Wünsche nicht gleich erfüllen. Aber es lernt dadurch, einerseits geduldig zu werden und auf etwas zu warten; andererseits entdeckt es vielleicht dadurch neue Wege und verborgene Kräfte in sich. Jedes Training im Sport lebt auch von Herausforderung: zB. wird Muskelkraft durch Anstrengung geweckt.
Ob Jesus jene Frau bewusst provoziert hat? Wollte er in ihr etwas wecken, das für ihr Leben wichtig war: zB. hartnäckig an etwas dran zu bleiben, lernen mit Grenzen umzugehen?
2. Selbstbewusste Beharrlichkeit einer Frau
Mich fasziniert an der Frau ihre Beharrlichkeit, weil es kein stures Lästigsein ist. Die Frau ist selbstbewusst und geht geduldig auf die Argumente Jesu ein. Dadurch macht sie deutlich, dass es immer einen Weg gibt. Dadurch offenbart sich ihr großer Glaube und ihr weises Gottesbild: dass Gott für alle Menschen und für alle Geschöpfe da ist.
3. Auswirkung auf die Tochter
Das Evangelium erzählt, dass die Begegnung Jesu mit der Frau Auswirkungen hat – und zwar nach drei Seiten:
a) Auf Jesus: er sieht an der Frau einen großen Glauben. Sie glaubt, dass Gottes Heilwirken nicht nur auf Israel beschränkt sein muss.
b) Auf die Frau: sie erkennt, welche Kraft und Beharrlichkeit in ihr steckt. Vielleicht musste sie die Erfahrung der anfänglichen Zurückweisung machen, weil sie das bei ihrer Tochter vielleicht nicht konnte und so der Tochter zB. keine Grenzen gesetzt hat.
c) Auf die Tochter: die Erfahrung der Frau wirkt sich auch auf die Beziehung zu ihrer Tochter aus - sodass es im Evangelium heißt: von jener Stunde an war ihre Tochter geheilt.
Der Weg der Liebe ist also nicht immer der leichteste. Manchmal muss Liebe auch Grenzen setzen und herausfordern - um der Lebendigkeit willen.
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