Bislang habe ich das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner, die beide im Tempel beten, als moralische Ermahnung verstanden – so nach dem Motto: "Weh euch, ihr Selbstgerechten!"
Unlängst aber habe ich eine neue Sichtweise erfahren. An einem Schwarz-Weiß-Beispiel wird deutlich, dass uns eine Begegnung mit Gott befreien und verwandeln kann – oder auch nicht.
Jesus erzählt diese Geschichte jenen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind und andere verachten: es geht also um eine übertriebene Selbstgerechtigkeit, um eine, die nicht mehr offen ist für andere Meinungen und Wege. So eine Selbstgerechtigkeit ist wie ein Panzer, durch den niemand anderer mehr durchkommen kann. Und so eine Selbstgerechtigkeit behindert das Leben.
Ich denke, dass wir solche Begegnungen mit Menschen kennen, die alles wissen und sich nicht berühren lassen. Auf diese Weise bleibt deren Leben starr und eingefahren; da können sie noch so viel Gutes tun - ohne Liebe wird ihr Tun keine Frucht bringen und sie selbst werden auch nicht wirklich glücklich dabei.
Auf der anderen Seite gibt es aber eine Offenheit, die sich beschenken lässt. Diese Offenheit kommt manchmal aus der Einsicht, dass wir begrenzt und auf andere angewiesen sind. Es ist, wie wenn wir in eine fremde Stadt kommen und Hilfe benötigen. Wenn wir nicht schon über alles Bescheid wissen, sind wir eher bereit zu lernen, uns berühren und begleiten zu lassen.
Das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner, die beide im Tempel beten, ist eine Ermutigung zu offener und achtsamer Begegnung: in einer ehrlichen, offenen Begegnung können wir berührt, befreit und verwandelt werden.
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