Im Gleichnis vertraut ein Mann seinen Knechten sein Vermögen an, als er auf Reisen geht. Nach seiner Rückkehr belohnt beziehungsweise bestraft er sie je nachdem, was sie aus dem Anvertrauten gemacht haben.
Die, die schon haben, bekommen noch mehr. Der, der keinen Fehler machen wollte und auf Nummer sicher geht, wird bestraft. – Eigentlich empörend!
Die Provokation ist jedoch beabsichtigt. Mit der Übertreibung bringt uns Jesus zum Nachdenken. Jesus fordert uns mit dem Beispiel des dritten Knechtes auf, ein zu enges Selbstbild aufzugeben, weil es uns selbst zerstört: wer immer alles im Griff haben möchte, dem rinnt letzten Endes alles durch die Finger.
Das Beispiel der ersten beiden Knechte will nicht die Leistung in den Vordergrund stellen, sondern die Tatsache, dass sie aus Vertrauen leben und investieren. Es wäre nicht schlimm, wenn sie beim Wirtschaften verloren hätten. Entscheidend ist, dass sie angefangen haben, aus dem Anvertrauten etwas zu machen.
Jesus will uns aufwecken, dass wir so über unser Leben nachdenken. Lebe ich so, wie es meinem Wesen entspricht? Oder habe ich mich eingerichtet in einer angepassten Existenz? Jesus hätte das auch direkt sagen können. Doch ein Satz wie „Lebt aus Vertrauen, nicht aus der Angst“ würde uns nicht aus dem Schlaf aufwecken. Wir würden zustimmen und uns ansonsten bequem zurücklehnen.
Menschen, die sich selbst kontrollieren wollen, haben oft auch ein Bild von Gott, der alles unter Kontrolle hat. Dahinter steht letztlich ein negatives Selbstbild. Ich habe Angst, dass es in mir etwas Schlechtes und Böses gibt. Das darf nicht hochsteigen, sonst verliere ich die Kontrolle über mich. Doch das Gegenteil ist der Fall: Gerade dem, der alles kontrollieren will, gerät das Leben außer Kontrolle.
Wer dagegen den Mut hat, Gott all das, was in ihm ist, hinzuhalten, verliert die Angst. Und der ist dann auch frei, mit dem zu leben, was Gott ihm gegeben hat, mit seinen Stärken und mit seinen Schwächen, und das Leben so zu gestalten, dass es Frucht bringt, dass es in Fluss kommt und aufblüht. In Fluss kommen und Aufblühen – flow and flourish –, das sind die beiden Bilder, mit denen die heutige Psychologie ein gelingendes Leben beschreibt.
Durch sein anstößiges Gleichnis will Jesus uns dazu ermutigen, in Fluss zu kommen und aufzublühen.
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