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  • AutorenbildGeorg Fröschl

Berg der Verklärung


Das Leben ist oft grausam. Menschen erleiden Schicksalsschläge, die ihnen den Glauben an einen guten Gott rauben. In der heutigen Lesung aus dem Buch Genesis hören wir genau so eine verstörende Begebenheit.

 

Gott stellt Abraham auf die Probe: ob er ihm seinen Sohn opfern würde? Er sagt: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, geh in das Land Morija und bring ihn dort als Brandopfer dar!“

 

Auch wenn am Ende Isaak nicht geopfert werden muss, sondern an seiner Stelle ein Ziegenbock, sagen manche: Typisch, das ist der blutrünstige Gott des Alten Testaments.

Der Berg Moria aber, auf dem Isaak geopfert hätte werden sollen, ist der Überlieferung nach der Hügel Golgotha, auf dem Jesus gekreuzigt wurde und schrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen…“

 

Vor einiger Zeit habe ich ein Interview mit einem Vater gehört, der seinen Sohn durch Suizid verloren hat. Obwohl dieses Ereignis schon längere Zeit zurücklag, habe ich an seiner Stimme den Schmerz, seine Ohnmacht und seine Untröstlichkeit gespürt.

 

All das lässt sich mit dem lieben Gott aus meinem Kinderglauben knicht mehr vereinen.

Aber ist das die Absicht der Texte, uns einen verstehbaren lieben Gott zu malen?

Ich denke, hier geht es darum, dass wir trotz Dunkelheit und Ohnmacht das Vertrauen nicht verlieren.

 

Genau das möchte Jesus am Berg der Verklärung seinen Jüngern mitgeben. In der Ahnung seines bevorstehenden Leids will er, dass seine Jünger daran nicht zerbrechen. Deswegen schenkt er ihnen einen Durchblick, ein strahlendes Licht, das vom Ende her alles umfasst. Ein Licht, das die ganze Tradition erhellt. Ein Licht, dass heller strahlt, als alle Dunkelheit des Leids.

 

Es ist nur ein kurzer Blick, aber ein Durchblick, der Kraft gibt.

Ich möchte ein Gedicht von Reiner Kunze an das Ende stellen:

 

Ich halte ein Samenkorn in der Hand.

Mein einziges Korn.

Sie sagen, ich soll das Korn in die Erde legen.

Ich muss mein Korn schützen, mein einziges Korn.

Ich habe nie erlebt, dass es Frühling gibt.

Sie sagen, es wächst neues Leben aus dem Korn.

Ich verliere mein Korn, mein einziges Korn.

Ich habe nie erlebt, dass es Frühling gibt.

Sie sagen, ich muss mein Korn riskieren, mein einziges Korn.

Aber ich habe Frühling nie erlebt.

Mein Geliebter sagt: Es gibt Frühling.

Ich lege mein Korn in die Erde.

 

Ich weiß, dass das Gedicht keine Antwort für den Vater ist, der seinen Sohn verloren hat. Dafür fehlen mir Worte. Aber ich wünsche ihm, dass er seinen Berg der Verklärung einmal findet.

 


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