Ich staune immer wieder, wenn im Frühling aus kahlen Zweigen Leben aufbricht, wenn sich das verborgene Leben seine Bahn bricht und im Außen zeigt. Das machen die Strahlen der Sonne sichtbar. Ist das nicht auch ein Bild für vieles andere im Leben? Damit die verborgenen Tiefenschichten sichtbar und innere Einsichten wach werden können, braucht es manchmal besondere Erfahrungen oder Begegnungen.
So eine besondere Begegnung wird uns im Evangelium vom 5. Fastensonntag erzählt:
Die Schriftgelehrten wollen Jesus in eine Falle locken. Sie lassen eine Frau an die Öffentlichkeit zerren, die beim Ehebruch ertappt wurde und möchten nun herausfinden, wie sich Jesus verhält: Ist er gesetzestreu, dann müsste er der Steinigung zustimmen?
Dramaturgisch lässt die Szene nichts zu wünschen übrig – jetzt richten alle ihre Blicke auf Jesus: wie reagiert er? Doch Jesus bückt sich und schreibt in den Sand. So als wollte er die Spannung bloß erhöhen.
Und dann: mit einem einzigen Satz wendet er die Situation: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“
Damit spricht er nicht gegen die Ordnung des Gesetzes; doch zugleich weist er auf etwas Größeres und Tieferes hin: auf die Gnade Gottes. Sie ist es, die unsere kleine Gerechtigkeit übersteigt und uns Leben auch unter uns schwachen Menschen ermöglicht.
Die Ältesten merken: wir alle haben Sünden! Wir alle sind auf Barmherzigkeit angewiesen. Keiner darf sich über den anderen erheben.
Ist das nicht eine lebens-wendende Erkenntnis?
Nur wenn wir Gottes Gnade auch zwischen uns walten lassen, dann wird neues Leben möglich.
Es ist so wie im Frühling: durch die Berührung mit der Sonne können die starren Knospen aufbrechen und ermöglichen so neues Leben.
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